Bernhard Aebi über den Entstehungsprozess
sieben jahre für die selbstverständlichkeit
Aus einer spontanen Idee 2018, nach sieben Jahren Entwicklungsarbeit, mit zwei vollskizzierten Tagebüchern und der Herstellung zahlreicher Prototypen, ist die dreiteilige Stuhlreihe Abbey entstanden. Sie umfasst einen Stuhl, einen Armlehnstuhl und einen dreibeinigen Barhocker – alle folgen denselben Prinzipien und sind dennoch sehr unterschiedlich. Die Entwicklung von Abbey war geprägt von Geduld, kritischem Dialog, handwerklicher Auseinandersetzung – und dem Ziel, einen ikonischen Stuhl zu schaffen. Unzählige Skizzen, handgefertigte Prototypen und ständige Reflexionen im Austausch mit Horgenglarus begleiteten den rein analogen Prozess. Digitale Modelle wurden keine erstellt – alle Formen entstanden im direkten Dialog mit dem Material.
Bernhard Aebi: «Der Stuhl sollte sich aus seiner Nutzung heraus entwickeln – schrittweise, funktional, präzise.»
Ausgangspunkt war, einen Stuhl mit hohem Sitzkomfort zu kreieren, der an die Wiener Stuhlklassiker anknüpft, jedoch völlig neu gedacht ist. Seine Zeitlosigkeit ist das Resultat eines Prozesses, der gestalterische Trends bewusst meidet und auf das Wesentliche fokussiert: gutes Sitzen, konstruktive Klarheit und ein Ausdruck, der sich aus dem Gebrauch ergibt. So folgt Abbey keiner Designidee, sondern einzig seiner Funktion. Das Resultat ist ein reduzierter, fein proportionierter Stuhl, der aus jedem Blickwinkel durchdacht ist und mit filigraner Leichtigkeit und skulpturaler Anmutung überrascht. Selbstverständlich und unaufgeregt offenbart er in den Details seine Raffinesse.
Bernhard Aebi: «Stühle werden immer von vorn oder von der Seite dargestellt; doch sieht man ihn an einem Tisch stehend immer von hinten. Das war im Entwurfsprozess ein wichtiger Leitgedanke.»
Die Verbindung von runden und eckigen Querschnitten, asymmetrischen Winkeln und handwerklich durchdachten Übergängen ergibt eine spannende Silhouette – auch wenn sich Abbey auf den ersten Blick grafisch und geradlinig zeigt. Keine Kante bleibt, wie sie beginnt. Linien drehen, winden sich oder lösen sich in weichen Rundungen auf und lassen eine dreidimensionale Kalligrafie entstehen, die in ihrer scheinbaren Mühelosigkeit das jahrelange Üben, das Auge für das Wesentliche und die Tiefe der Handwerkskunst verrät.
Was mit «keiner Idee» begann, wurde über sieben Jahre zur ersten Serienentwicklung von Bernhard Aebi mit Horgenglarus: Abbey – das Ergebnis einer gestalterischen Reise. Die gemeinsame Geschichte aber begann schon lange davor.
bernhard aebi, architektur als lebenslinie
Geboren 1963 in Langnau BE, studierte Bernhard Aebi nach seiner Lehre als Hochbauzeichner Architektur an der Ingenieurschule Burgdorf. Von 1989 bis 1996 arbeitete er im namhaften Berner Atelier 5, wo er sein präzises und kontextorientiertes Architekturbewusstsein vertiefte.
1996 gründete er gemeinsam mit Pascal Vincent das Büro Aebi & Vincent Architekten SIA AG mit Standorten in Bern und Genf – mittlerweile mit rund 100 Mitarbeitenden. Das Büro setzt schwerpunktmässig auf Wettbewerbe und verfolgt einen prozessorientierten Ansatz: Jedes Projekt wird sorgfältig analysiert, konzipiert und in interdisziplinärer Planung weiterentwickelt, stets mit Blick auf den Ort, die städtebauliche Einbettung, den Nutzer mit stetigem Fokus auf nachhaltige Qualität.
Zu den bedeutendsten realisierten Projekten zählen der Umbau und Erweiterung des Berghauses Niesen (1998-2000) der Umbau und die Sanierung des Parlamentsgebäudes Bern (2003-2009), das Pflegezentrum Elfenau, Bern (2010-2019) der Umbau der Nationalbank Bern (2012-2026), der Um- und Neubau der Jugendherberge Bern (2013-2016), die Generalsanierung des Südtrakts des Hauptbahnhofs Zürich (2009-2023), die Erneuerung des Stadttheaters Langenthal (2012-2017) und der Masterplan Naters VS (2029-2023) – alle geprägt von sensibler Verbindung von Alt und Neu, Materialauthentizität und urbanem Bewusstsein.
Mit seinem Architekturbüro gestaltet Aebi heute sowohl Stadtquartiere, öffentliche Gebäude, Wohnüberbauungen als auch Innenarchitektur und Produktdesign – stets mit einem starken Bezug zu «Stadt, Ort und Mensch» und einem Anspruch an Nachhaltigkeit durch Qualität im Detail.
Mit Horgenglarus verbindet Bernhard Aebi eine längere, gemeinsame Geschichte. Begonnen hat sie 2003 mit der Sanierung und dem Umbau des Parlamentsgebäudes in Bern. Für die Café-Bar «Valloton» im Parlamentsgebäude entwickelte Bernhard Aebi 2005 zusammen mit Horgenglarus einen Kreuzzargenstuhl mit gepolsterter Sitzschale, der aber nicht in Serie genommen wurde. Bernhard Aebi gab den Anstoss, dass Horgenglarus mit der sorgfältigen Restaurierung der Sitzmöbel im Parlament zu betrauen, da Horgenglarus bereits 1902 die fest verbaute Tribünen-Bestuhlung beider Sitzungssäle geliefert hat. Seit 2008 restauriert Horgenglarus in Etappen sämtliche Sitzgelegenheiten, teils transformiert, teils neu hergestellt.
Aus der Pflege des Bestehenden wuchs eine gestalterische Partnerschaft zwischen Bernhard Aebi und Horgenglarus. Die Stuhlreihe Abbey ist ihr erster serieller Ausdruck und ein weiterer Schritt in einer gemeinsamen Geschichte, geprägt von Qualität, Respekt und Klarheit.